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Wald.Wissen
Kurzgefasst

Insektensterben im Wald: Welche Arten gehen zurück und womit hängt dies zusammen?

#Insekten  #Wald  #Artenvielfalt  #Mischwälder  

Die biologische Vielfalt geht weltweit zurück. Für manche Tiergruppen, wie beispielsweise Vögel, sind die teilweise dramatischen Verluste an Arten und Individuen schon länger gut dokumentiert, während für Insekten erst in den letzten Jahren deutlich wurde, dass die meisten Populationen rückläufig sind. Die Mehrzahl der Studien, die Rückgänge bei Insekten nachgewiesen haben, untersuchten Agrarlandschaften, und legen nahe, dass die intensivierte Landnutzung ein potenziell wichtiger Grund für das Insektensterben ist. Im Gegensatz dazu sind die möglichen Veränderungen von Insektenpopulation in Wäldern nur wenig untersucht, wenn man von einigen wenigen Schadarten absieht.

Natürlicherweise werden die Walddynamik und damit die in Wäldern vorkommenden Insektenpopulationen durch zufällige Störungen und eine sich daran anschließende Sukzession beeinflusst. Da die meisten heimischen Wälder auf die eine oder andere Art bewirtschaftet werden, beeinträchtigen menschliche Eingriffe diese natürlichen Dynamiken, etwa durch Änderungen in Ressourcenangebot und Waldstruktur. Eine entsprechend angepasste Bewirtschaftung könnte daher Insektenpopulationen stabilisieren oder erhöhen. Weiterhin werden Insekten in Wäldern auch von der umgebenden Landschaft beeinflusst, insbesondere da viele Wälder heute in eine landwirtschaftlich genutzte Matrix eingebettet sind.

Die wenigen bisher verfügbaren Studien zum Insektensterben in Wäldern haben Verluste der Individuenzahl, der Biomasse und der Artenzahl von Insekten aufgezeigt, ohne jedoch einen Zusammenhang mit den Eigenschaften der Standorte herzustellen. Nur selten wurden die Merkmale der einzelnen Arten berücksichtigt. Dabei ist es wahrscheinlich, dass Rückgänge nicht zufällig sind, sondern beispielsweise mit der Körpergröße oder dem Ernährungstypus der Arten zusammenhängen.

  • Hängt der Rückgang der Insekten in Wäldern von der Struktur und der Art der Bewirtschaftung des jeweiligen Waldstandortes ab?
  • Beeinflussen die Eigenschaften des Standorts und der umgebenden Landschaft die Trends der Insektenpopulationen?
  • Welche Arten gehen zurück? Gibt es Zusammenhänge mit der Biologie und den Merkmalen der Arten?
Zwei Arten, die in den untersuchten Wäldern konsistent zurückgegangen sind: der Schwarzfleckige Zangenbock (Rhagium mordax, links) und der Ameisenbuntkäfer (Thanasimus formicarius, rechts)

  • Fliegende Insekten wurden an insgesamt 140 Waldstandorten (Größe 1 ha, 100 m x 100 m) der Biodiversitäts-Exploratorien von 2008-2017 mit zwei Kreuzfensterfallen pro Standort gesammelt. An dreißig repräsentativen Standorten wurden jährlich gesammelt; an den restlichen 110 Standorten aus logistischen Gründen alle drei Jahre. Alle gefangenen Käfer und Wanzen wurden von taxonomischen Experten auf Art bestimmt. Von jeder gefundenen Art wurde die Körpergröße, der Ernährungstyp und die Häufigkeit (neben anderen Merkmalen) bestimmt.
  • An allen untersuchten Waldstandorte wurden Inventuren und Laserscanning durchgeführt, um die Eigenschaften der Standorte zu charakterisieren. In zwei standardisierten Inventuren (~6 Jahre Abstand) wurden alle Bäume mit Brusthöhendurchmesser > 7 cm und Totholz einschließlich Stumpen > 25 cm (schwächeres Totholz 7-25 cm aus Transekten extrapoliert) erfasst. Daraus wurden unter anderem das Totholzvolumen, der Anteil nicht standort-heimischer Bäume und die Menge der vorangegangenen Ernte berechnet. Da zwei Inventuren vorlagen, konnte sowohl der Zustand zu Beginn der Insektenzeitreihe als auch die Änderung über die Zeit quantifiziert werden. Aus den Daten des terrestrischen Laserscannings wurden die Kronendichte und die effektive Anzahl an Schichten berechnet.
  • Die umgebende Landschaft (1000 m Radius) wurde durch Satellitendaten bewertet. Dazu wurden Waldbedeckung, Störungsintensität und Waldheterogenität herangezogen.
  • In der Originalpublikation werden eine Vielzahl statistischer Methoden eingesetzt, die hier kurz zusammengefasst werden. Die zeitlichen Trends der Insektengemeinschaften auf Standortebene wurden als Pearson’s r Koeffizient von Individuenzahl, Artenzahl und Biomasse bezogen auf das Jahr der Sammlung berechnet. Diese Trends wurden als abhängige Variablen in linearen gemischten Modellen eingesetzt, um den Zusammenhang zwischen Trends auf Standortebene und den Eigenschaften des Standorts zu testen. Auf Ebene der Arten wurden die Trends pro Art und Region ebenfalls mit Pearson’s r quantifiziert. Dazu wurden nur die 30 intensiven Standorte mit jährlichen Daten herangezogen. Wie bei der Standortebene wurden die Daten auf Artebene mit linearen gemischten Modellen analysiert (abhängige Variable: Trends; erklärende Variablen: artspezifische Merkmale, inklusive Körpergröße, Ernährungstyp und Häufigkeit).

  • 1805 Arten und 120.996 Individuen in 37.006 Arten × Standort × Jahr-Kombinationen wurden gefunden. Die Trends der Artenzahl und der Biomasse, nicht aber der Individuenzahl waren im Zeitraum von 2008-2017 negativ.
  • Der Rückgang der Insekten hing konsistent mit dem Anteil nicht standort-heimischer Bäume zusammen. Standorte, die von nicht standort-heimischer Bäumen dominiert wurden hatten die negativsten Trends über die Zeit. Zusätzlich dazu, hingen die Trends auch mit einigen weiteren Eigenschaften der Standorte zusammen, etwa der Veränderung des Totholzvolumens (Artenzahl, negativ), der Ernteintensität (Individuenzahl, negativ) oder der Baumartenvielfalt (Individuenzahl, positiv). Detailliertere Ergebnisse, inklusive einer Auftrennung der Trends auf Standortebene pro Ernährungstyp, sind in der Originalpublikation verfügbar.
  • Die deutliche Mehrzahl der Arten (61,9%) hatte negative Trends über die Zeit. Die Trends auf Artebene hingen mit den Merkmalen der Arten zusammen. Größere Arten und häufigere Arten hatten negativere Trends. Ebenso unterschieden sich die Trends zwischen den Ernährungstypen der Insekten. Im Durchschnitt waren die Trends für Herbivore leicht positiv, aber deutlich negativ für alle anderen Gruppen, mit dem größten Unterschied zwischen Herbivoren und Karnivoren.

  • In deutschen Wäldern sind die Insektenpopulationen an den meisten Standorten und bei allen trophischen Gruppen außer Herbivoren zurückgegangen. Die Rückgänge waren am stärksten an Standorten, welche von nicht standort-heimischen Bäumen (in den Untersuchungsgebieten Fichte und Kiefer) dominiert waren.
  • Es ist zu beachten, dass zeitliche Änderungen in Insektenpopulationen komplex sind und sich nur selten kausal mit einer Umweltvariable verknüpfen lassen. Die Ergebnisse legen jedoch nahe, dass eine gezielte Waldbewirtschaftung – etwa durch die Förderung heimischer Baumarten und eine reduzierte Ernte – den Rückgängen entgegenwirken kann.
  • Die Anwendung waldbaulicher Maßnahmen wie Retention, kontinuierliche Deckung und Naturverjüngung ist potentiell vorteilhaft für Insekten.
  • Da der Rückgang auf Artebene nicht einheitlich war, sondern von den Merkmalen der Arten abhing, sind Veränderungen in Nahrungsnetzen wahrscheinlich, deren Konsequenzen noch nicht absehbar sind.

  • Die Untersuchungsflächen sind hinsichtlich Baumartenzusammensetzung, Bewirtschaftung und Standortparametern repräsentativ für die Mehrzahl der Wälder in Mitteleuropa. Daher ist es wahrscheinlich, dass es auch in anderen Wäldern deutliche Rückgänge bei Insekten gegeben hat.
  • Die Studie erstreckte sich auf die Jahre 2008-2017. Eine Aussage über den Einfluss der Trockenjahre ab 2018 ist nicht möglich.

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