Messtechnik und Fernerkundung
Kernprojekt 3 – Die sogenannten Kernprojekte der Biodiversitäts-Exploratorien (BE) gingen aus dem Projekt zur Flächenauswahl und dem Aufbau der Exploratorien (2006-2008) hervor und stellen seit 2008 die Infrastruktur bereit.
Die systematische und kontinuierliche Erfassung von Umweltdaten ist eine wichtiger Teil der Forschungsinfrastruktur der Biodiversitäts-Exploratorien. Das Kernprojekt 3 „Messtechnik und Fernerkundung“ ist verantwortlich für (i) die systematische und großräumige Messung und Aufzeichnung meteorologischer und bodenkundlicher Umweltvariablen und (ii) die Bereitstellung von Fernerkundungs- und Geodaten zur Landbedeckung und -nutzung.
Dazu entwickelt und betreibt das Kernprojekt 3 eine wichtige Forschungsinfrastruktur bestehend aus einem sehr großen Netzwerk an Klimastationen, Klimamesstürmen und fernerkundlichen Platformen und Sensoren. Es erhebt regelmäßig klimatische und fernerkundliche Daten nach standardisierten Verfahren um kohärente Zeitreihen zu erstellen. Diese werden über spezielle Datenbankanwendungen, die im Projekt entwickelt werden, zur Verfügung gestellt.
Die Instrumentierung war daher seit Beginn der Biodiversitäts-Exploratorien ein maßgeblicher Bestandteil der Forschungsinfrastruktur. Aufgrund der starken Nachfrage nach Fernerkundungs- / Geodaten und Dienstleistungen wurde das Projekt im Jahr 2014 um die fernerkundliche Komponente erweitert. Damit kann ein für alle Forschergruppen zugängliches Archiv an Geodaten und Fernerkundungsprodukte aufgebaut, und die Aufnahme von neuen Daten z.B. mit Drohnen und Flugzeugen, koordiniert werden. Das Kernprojekt 3 trät auch dazu bei, die Geodaten in den Biodiversitäts Exploratorien zu standardisieren und zu harmonisieren.
Das Ziel des Kernprojektes ist der Aufbau und die Betreuung der Messtechnik und Sensorik sowie die Bereitstellung von Umweltdaten als aufbereitete Basisprodukte zur Bearbeitung vielfältiger Forschungsfragen in den Biodiversitäts-Exploratorien. Dazu zählen unter anderem:
- Klimavariablen: Klimamessstationen auf Grünland- und Waldstationen, TreeTalker auf Wald-Experimenten (FOX), Klimamesstürme für vertikale Profile
- Vegetationsstrukturvariablen: Indices zur räumliche Struktur der Vegetation aus Laserscanning und photogrammetrischen Punktwolken
- Audioumgebung: (Ultraschall-)Aufnahmen
- Spezifische Vegetationsparameter: Baumsaftflussmessung, LAI
- Bereitstellung und Verarbeitung von Landnutzungs- und Landbedeckungskarten
- Landschaftsstruktur: Erfassung und Quantifizierung der Landschaftsstruktur
- Koordination und Durchführung von Drohnenbefliegungen
- Aufbereitung von Copernicus- und Landsat-Satellitendaten zur Erstellung kontinuierlicher Zeitreihen und daraus abgeleiteter Produkte (Produktivität, Landnutzungsintensität, Änderungsanalysen)
Neben diesen Produkten möchte das Kernprojekt die Nutzung von Klima- und Geodaten in der Biodiversitätsforschung stärken. Dazu werden vom Kernprojekt Workshops zur Auswertung und Nutzung der Klima- und Geodaten angeboten.
Umweltmesstechnik
Meteorologische und bodenkundliche Variablen gehören zu den Haupteinflussfaktoren der organismischen Diversität und Funktionalität von Ökosystemkreisläufen. Um eine systematische und großräumige Messung und Aufzeichnung dieser Umweltvariablen durchzuführen, sind in den drei Exploratorien Schorfheide-Chorin, Hainich-Dün und auf der Schwäbischen Alb mehr als 400 permanente Messeinrichtungen installiert und werden betreut.
Klimastationen
In jedem Exploratorium wurden jeweils >140 Messstationen aufgebaut, wovon je 50 im Grünland und je 91-111 in den jeweiligen Waldflächen installiert sind. Vor dem Hintergrund der sehr großen Anzahl an Stationen wurden nicht alle identisch bestückt, sondern mit abgestuften Sensorgruppen ausgestattet. Derzeit sind die folgenden Stationstypen im Einsatz:
- 279 Basis-Umwelt-Messstationen (CEMU – Core Environmental Monitoring Units)
- 21 Erweiterte-Umwelt-Messstationen (EEMU -Enhanced CEMUs )
- 148 FOX-Umwelt-Messstationen (FEMU – Fox Environmental Monitoring Units) a la Treetalker
Typ CEMU wird auf allen Experimentalprobeflächen (EPs) der Exploratorien in den Waldgebieten und im Grünland verwendet. Neben allgemeinen meteorologischen Variablen wie Lufttemperatur, Oberflächentemperatur und relativer Luftfeuchte werden außerdem Messungen im Erdreich vorgenommen. Fünf Messfühler werden im Oberboden eingesetzt, um kontinuierlich Bodentemperatur und -feuchte zu erfassen.
Typ EEMU wird auf ausgewählten Intensivprobeflächen (VIPs) und topographisch wichtigen Probeflächen eingesetzt und verfügt zusätzlich über ergänzende Sensorik zur Messung des Niederschlags, der Windgeschwindigkeit und -richtung, der ein- und ausfallenden Strahlungskomponenten von kurz- und langwelliger Strahlung, der photosynthetisch aktiven Strahlung (PAR) sowie des Luftdrucks.
Typ FEMU/ Treetalker wird auf den Wald Experimentflächen (FOX) eingesetzt. Neben allgemeinen meteorologischen Daten wie Lufttemperatur und -feuchte werden außerdem Bodenfeuchte und -temperaturmessungen im Erdreich vorgenommen sowie die Sonneneinstrahlung unter dem Kronendach in 12 Spektralbändern (450 – 860nm) aufgenommen.
Eine Visualisierung der gemessenen Temperaturzeitreihe ist hier zu sehen:
Klimamesstürme
Im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin und auf der Schwäbischen Alb wurde jeweils ein Messturm mit einer Höhe von 44 m bzw. 37 m installiert. Beide Türme umfassen die Sensorik der EEMUs und messen zusätzlich die Lufttemperatur, Luftfeuchte und die PAR im Profil. Zwei weitere Türme, die vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie aufgebaut worden sind, können im Nationalpark Hainich-Dün mitgenutzt werden.
Audioaufnahmen
Auf ausgewählten Plots erfassen Audioaufnahmegeräte die Geräuschkulisse sowohl in den hörbaren als auch in den Ultraschall-Frequenzen. Rückschlüsse über das Vorkommen und die Intensität der Aktivität von Vögeln, Fledermäusen und auditiv erfassbaren Ökosystemstörungen werden semi regelmäßig erfasst. Dies bietet die Möglichkeit Unterschiede Vorkommen und Aktivität zwischen Jahreszeiten und Plots systematisch und gleichzeitig zu erfassen und zu analysieren.
Fernerkundung & Geodaten
Zielsetzung der Fernerkundungskomponente ist es, die großflächige Erhebung von meterologischen Variablen durch eine flächendeckende fernerkundliche Erfassung in den drei Exploratorien zu ergänzen. Mit der Bereitstellung und Aktualisierung von Geodaten und anderen – aus Fernerkundungsdaten abgeleiteten – Produkten als fertig prozessierte Analysis Ready Daten (ARD), soll es auch Nicht-Fernerkundlern ermöglicht werden, räumliche und zeitliche Analysen auf Basis von Fernerkundungsbeobachtungen in ihre Forschungen zu integrieren und somit neue Erkenntnisse über die funktionalen Zusammenhänge auf unterschiedlichen Skalenebenen der Biodiversität zu erlangen. Dazu wurde im Kernprojekt eine fernerkundliche Infrastruktur aufgebaut die im Folgenden vorgestellt wird.
Unmaned Aerial Systems (UAS) / Drohnen bieten die Möglichkeit zeitlich flexibel hochauflösende Bilder kleinere Gebiete (Plots + Umgebung) aufzunehmen. Dies ist besonders dann sinnvoll, wenn Bildaufnahmen zeitlich synchron mit weiteren Feldaufnahmen erfolgen sollen z.B. um Bildklassifikationsmodelle zu entwickeln. Somit kann sowohl der Plotzustand während der Feldaufnahmen dokumentiert und Trainingsdaten für die Entwicklung von Klassifikationsmodellen erhoben werden. Die sehr hohe räumliche Auflösung der Drohnenaufnahmen ermöglicht die Erfassung sehr kleiner Merkmale. Seit 2017 führt das Kernprojekt Drohnen-Befliegungen in den Exploratorien durch. Dafür stehen dem Projekt mehrere Drohnen (Copter, Starflügler) und unterschiedliche Sensoren (Thermal, RGB, Multi-spektral, hyperspektral) zur Verfügung. Gleichzeitig wurde die erforderliche Computer Hard- und Software aufgebaut und fachspezifische Datenverarbeitungsketten entwickelt. Der Einsatz von Drohnen ist an strenge rechtlichen Voraussetzungen gebunden die besonders in Naturschutzgebieten häufig gesonderte Genehmigungen erfordern. In Zusammenarbeit mit den Naturschutzbehörden konnte das Kernprojekt hier in vielen Fällen gute Lösungen erarbeiten die den Einsatz von Drohnen auch in sensitiven Bereichen ermöglichen.
Satelliten- und Flugzeugdaten
Um der Vielfalt der Forschungsfragen und Methoden innerhalb der Biodiversitäts-Exploratorien gerecht zu werden, wird neben den Drohnen ein breites Spektrum an fernerkundlichen Plattformen genutzt. Das Spektrum reicht von optischen Satellitenbildern (e.g. Pléiades, RapidEye, Planet, Sentinel-2) bis zu flugzeuggetragenen Hyperspektral- und LiDAR-Sensoren wie in Tabelle 1 dargestellt.
System | Plattform | Räuml. Auflösung (m) | # Bänder | Spektrale Auflösung (μm) | Temporale Auflösung | Abdeckung |
---|---|---|---|---|---|---|
RapidEye | Satellit | 5 | 5 | 0.44 – 0.85 | 2009-2015 ~Min. drei phänologische Perioden pro Jahr | vollflächig |
Planet | Satellit | 3.5 | 4 | 0.44-0.88 | 2020-2021, mehrere Aufnahmen pro Jahr | vollflächig |
Landsat* | Satellit | 15 – 120 | 4 - 8 | 0.43 – 12.5 | 1972 - 2014, ~ jährlich | vollflächig |
MODIS** | Satellit | 250 – 1000 | 36 | 0.40 – 14.39 | 2001 - 2014, ~ täglich | vollflächig |
Sentinel-2 | Satellit | 10-20 | 13 | 0.49-2.2 | 2016-,~ alle fünf Tage | vollflächig |
Pléiades | Satellit | 0.5– 2 | 5 | 0.43 – 9.40 | Einmalig (2015) | 100 km² je Exploratorium |
Hyperspektral | Flugzeug | 1 | > 200 | 0.40 – 2.40 | Einmalig (2015) | 100 km² je Exploratorium |
LiDAR | Flugzeug | ~14 Punkte/m² | Full wave form | --- | Einmalig (2015) | 100 km² je Exploratorium |
Datenbanken und Prozessierung
Klimadaten
Die oben beschriebenen Klimamesseinrichtungen erfassen täglich >70.000 Messwerte in jedem Forschungsgebiet. Diese werden automatisiert über das Mobilfunknetz nach Marburg übertragen und in der speziell für die Exploratorien entwickelten Klimadatenzeitreihendatenbank TubeDB (https://environmentalinformatics-marburg.github.io/tubedb/) gesammelt. Die Forscher können diese aufbereiteten Klimadaten direkt über BExIS nutzen und nach individuellen Anforderungen, etwa Qualitätskorrektur, zeitliche Aggregation und Interpolation visualisieren und exportieren.
Wildtierkameras
Wir übernehmen die Aufbereitung von Wildtierkameraaufnahmen, die in erster Linie das Auftreten von Säugetieren erfassen. Die Prozessierung kategorisiert die Aufnahmen in Bilder von Tieren, Menschen und Fehlaufnahmen. Die Position der Tiere in den Bildern wird markiert, so dass eine anschließende manuelle oder maschinelle Speziesbestimmung vereinfacht wird. Unsere Bildverwaltungssoftware ermöglicht die Durchsicht der kategorisierten Bilder und die manuelle Nachbestimmung.
Audiodaten
Unserer Audiodatenverwaltungssoftware ist die zentrale Sammelstelle für die Aufgenommenen Audiodaten. In der Weboberfläche können Aufnahmen angehört, als Spektrogramm visualisiert und gelabelt werden. Das Machinelearning (ML) basierte automatische Labeln läuft in Zyklen von initial manuellem labeln, ML Training, manuelle Bewertung der automatisch generierten Labels und erneutem ML Training.
Fernerkundungsdaten
In der Fernerkundungsdatenbank RSDB, (https://environmentalinformatics-marburg.github.io/rsdb/) werden die prozessierten Rasterdaten, Punktwolken und Vektordaten verwaltet. Das Webinterface bietet Funktionen zum Suchen und Erkunden der gespeicherten Geodaten interaktive Visualisierungen, Prozessierungen und Datenexport. Zusätzlich können sämtliche Daten der RSDB über das R-Package rsdb (https://github.com/environmentalinformatics-marburg/rsdb/tree/master/r-package) direkt in R verarbeitet werden.
Aktuelle Phasen (2020-2023)
Drohnenbefliegungen im Wald und Grünland
Für viele Forschungsprojekte in den Exploratorien ist es wichtig, hochauflösende Bilder der Plots zeitgleich oder mit sehr geringem Abstand zu den eigenen Feldaufnahmen aufzunehmen. Der Einsatz von Drohnen hat sich hier als besonders effizient erwiesen. Seit 2017 haben wir sowohl im Grünland als auch im Wald Drohnenbefliegungen organisiert, durchgeführt und ausgewertet.
Landschaftsstruktur Analysen
Die Biodiversität beeinflussende Ökosystemprozesse wirken auf sehr unterschiedlichen Skalenebenen. Zahlreiche der Prozesse, die auf den intensiv beprobten EPs beobachtet werden, sind durch die den Plot umgebende Nachbarschaft maßgeblich beeinflusst. Mithilfe aktueller und historischer Landnutzungs- und -bedeckungskarten können die angrenzenden Landschaften untersucht werden. Dadurch soll es ermöglicht werden, die intensiven Beobachtungen auf den EPs in den Landschaftskontext einzuordnen. Dabei werden an die unterschiedlichen Fragestellungen angepasste, thematischen Klassifizierungsschlüssel entwickelt. Im Wald werden z.B. verschiedene Baumartengruppen und andere Waldstrukturmerkmale differenziert, im Grünland dienen vor allem die landwirtschaftliche Nutzung und Gehölzstrukturen (z.B. Sträucher) als Klassifizierungskriterien. Diese thematischen Karten ermöglichen eine quantitative Beschreibung der horizontalen Landschaftsstruktur der drei Exploratorien. Höhen-Informationen z.B. aus den Airborne Laserscanner (ALS) Daten erweitern diese Beschreibung um eine vertikale Komponente, so dass eine 3D Beschreibung der Vegetations- und Landschaftsstruktur möglich ist.
Satellitenbild Zeitreihen
Die Interaktionen zwischen den Ökosystem-Funktionen und der Nutzungsintensität ist zentrales Forschungsthema der Biodiversitäts-Exploratorien. Häufig ist der momentan beobachtete Zustand das Ergebnis von Prozessen die über einen langen Zeitraum wirken. Daher kann die Beschreibung der historischen Entwicklung dazu beitragen, Aufschluss über den aktuellen Zustand zu geben. Fernerkundungsmethoden bieten die Möglichkeit mit Hilfe von Zeitreihenanalysen die Entwicklung eine Landschaft zu beschreiben. Wir stellen solche Zeitreihen auf Basis unterschiedlicher Satellitenplattformen zur Verfügung. Durch die Veröffentlichung des Landsat-Archives steht eine Datenquelle zur Verfügung welche eine Beschreibung der Entwicklung zurück bis in die 1980’er Jahre ermöglicht. Daneben werden die Daten des Europäischen Copernicus Programms genutzt um zeitlich hochauflösende aktuelle Satellitenbildzeitreihen zu Erstellen, welche z.B. zur Erfassung phänologischer Prozesse genutzt werden.
Klimadaten
Das Netz von über die Exploratorien verteilten Klimastationen liefert Zeitreihen von Punktmessungen des lokalen Mikroklimas. Mit maschinellen Lernverfahren erstellen wir daraus und unter Zuhilfenahme von Sentinel-2 Zeitserien und digitalen Geländemodellen flächige Mikroklimakarten. Komplementiert werden diese Mikroklimakarten von Zuverlässigkeitsabschätzungen die auch als Karten generiert werden.
Kleinere durch Stationsausfälle entstandene Lücken in den Klimazeitreihe werden optional automatisch von unserer Klimadatenzeitreihendatenbank mit hoher Präzision interpoliert. Für größere Lücken oder für Zeiträume vor dem Start der Klimastationen bieten wir einen Algorithmus zum Auffüllen der Klimadaten unter Zuhilfenahme von externen DWD Wetterdaten.
Niederschlag wird bei einigen unserer Klimastationen gemessen. Auf Basis des DWD RADOLAN Produkts könne wir Niederschlagszeitreihen für alle Plots erstellen.
Vergangene Phasen
- Erfassung der phänologischen Änderungen der Waldstruktur
- Auswertung historischer Satelliten-Zeitreihen zur Erfassung der Störungsintensität
- Kombinierte hyperspektral und Laserscanner Befliegung in den drei Exploratorien im Jahr 2015
- Kartierung von Waldstrukturmetriken mithilfe von Airborne Laser Scanner (ALS)-Daten
- Erstellung von RapidEye-Satellitenzeitreihen